Bezahlbarer Wohnraum – Eine Illusion in Gerlingen?

Veröffentlicht am 27.10.2015 in Fraktion

SPD fordert umfassende Wohnraumpolitik

 

  1. Warum exorbitante Wohnungspreise kein Gütesiegel für Gerlingen sind

Wer kennt die Beispiele in Gerlingen nicht? Mehr als 4.000 Euro je m2 für eine Neubauwohnung scheinen in Gerlingen immer mehr zur Regel als zur Ausnahme zu werden. Tendenz steigend. Gerlingen folgt damit einem Trend, der derzeit im Großraum Stuttgart und in anderen deutschen Ballungsgebieten beobachtet wird. Vor allem in Gerlingen scheint es jedoch wenig ratsam, die hohen Grundstücks- und Wohnungspreise als allgemeine und unbeeinflussbare Entwicklung oder gar als Gütesiegel für den exquisiten Wohnstandort Gerlingen zu verstehen.

Gerlingen hat im Durchschnitt die älteste Bevölkerung im Landkreis und ist daher für eine „ge­sunde“ Altersstruktur stärker als andere Kommunen darauf angewiesen, dass junge Er­wach­sene und Familien Wohnraum in Gerlingen finden. Gerade die Jüngeren können sich jedoch die hohen Preise oft nicht leisten. Besonders gravierend wird dieses Problem vor allem bei Alleinerziehen­den.

Auch in Gerlingen gibt es Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum. Nach Auskunft der Stadtkäm­merei liegen der Stadtverwaltung derzeit über einhundert Anfragen nach städtischen Wohnungen vor, von denen etwa 45 als dringend einzustufen sind. Ein großer Anteil hiervon sind Allein­erzie­hende, die am Markt derzeit keine Wohnung finden. Angesichts knapper Bauflächen, einer hohen Nachfrage nach Wohnraum und niedrigen Zinsen scheint sich dieses Problem auch nicht in absehbarer Zeit durch die Marktentwicklung zu lösen.

 

  1. Auch Gerlingen sollte bezahlbaren Wohnraum schaffen

Andere Städte wie München, Amsterdam und Zürich machen es vor. Dort versucht man aktiv, bezahlbaren Wohnraum zu sichern und zu schaffen. Freilich mit ganz unterschiedlichen Mitteln und Wegen. Auch in Gerlingen sollten wir dieses Thema wieder ernster nehmen und stärker dis­kutieren.

Bei öffentlich gefördertem Wohnen unterscheidet man im Allgemeinen danach, ob die Menschen ein (regelmäßiges) Einkommen haben oder nicht. Sozialwohnungen sind für Menschen ohne Ein­kommen bestimmt, insbesondere auch für Flüchtlinge. Bezahlbarer Wohnraum ist für Menschen mit regelmäßigem – jedoch niedrigem – Einkommen wichtig. Alleinerziehende, Azubis, Studie­rende, junge Familien, aber auch Rentnerinnen und Rentner oder andere Geringver­diener kön­nen zu dieser Zielgruppe gehören. Dass Menschen mit hohem Einkom­men keine öffentliche För­derung beim Wohnen benötigen, ist selbstverständlich.

 

  1. Was können wir tun?

Es gibt verschiedene Wege, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Um einen besseren Über­blick zu bekommen, sind in Abbildung 1 mögliche Alternativen – ohne Anspruch auf Vollstän­digkeit – genannt. Die Alternativen orientieren sich an den drei folgenden Grundfragen:

(1) Wem soll das Grundstück gehören?

(2) Wer soll bauen?

(3) In welcher Form wird der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum gedeckt (Vermarktung)?

 

Erwerb des Grundstück

Vorkaufsrecht für die Stadt

Stadt als gewöhnlicher Marktteilnehmer

Grundstück bleibt im privaten Eigentum

Bauträger

Stadt

Genossenschaften

Andere

Vermarktung / Bedarfs­deckung

Verkauf

Erbbau­recht

Vermietung

Nutzungsrechte

                 

Abb. 1: Grundlegende Alternativen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

 

Eine Möglichkeit bestünde darin, dass die Stadt alle Aufgaben – von der Beschaffung des Grund­stücks über den Bau bis zur Vermarktung des Wohnraums – selbst übernimmt. Grundstücke kann sie allgemein entweder über Vorkaufs­rechte, ggf. zu bestimmten Sonderkonditionen, oder als gewöhnlicher Marktteilnehmer zu markt­üblichen Konditionen erwerben. Die gebauten Wohnein­heiten kann die Stadt anschließend ver­günstigt verkaufen oder vermieten. Beim Verkauf wäre eine Kaufpreisbindung (d. h. der private Käufer darf in einem bestimmten Zeitraum bei einem Weiterverkauf an Dritte nicht mehr Geld verlangen als er selbst der Stadt ursprünglich bezahlt hat) sowie ein Vor­kaufs­recht der Stadt bei Weiterverkauf denkbar. Natürlich könnte die Stadt auch bestehenden Wohn­raum zu markt­üb­lichen Konditionen kaufen und vergünstigt wie beschrieben anbieten.

Eine Art Mischform zwischen Verkauf und Vermietung stellt das sog. Erbbaurecht dar. Vereinfacht gesagt, erhält der Käufer hier für einen bestimmten Zeitraum, z. B. für 99 Jahre, quasi das Eigen­tum für eine Wohnung oder ein Gebäude. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit geht das Eigentum zurück an die Gemeinde.

Die Stadt muss aber nicht alle drei Aufgaben selbst erledigen. Sie könnten auch von privater Hand übernommen werden. Die Möglichkeiten der Stadt hängen hierbei vor allem davon ab, ob die privaten Bauträger genossenschaftlich organisiert sind oder nicht. Genossenschaftliche Bauträger sind in der Regel darauf angewiesen, dass sie günstig Grundstücke kaufen können. Das ist meist nur dann möglich, wenn das Grundstück der Stadt gehört oder vorab von ihr erworben wurde. Durch eine sog. Konzept-Vergabe, bei der das Grundstück nicht an den Meistbietenden, sondern an das insgesamt beste Konzept vergeben wird, vergibt beispielsweise die Stadt München ent­sprechende Grundstücke insbesondere an genossenschaftliche Bauträger. Die gebauten Woh­nungen werden dann von den Genossenschaften in eigener Verantwortung günstig, d. h. teilweise unter 10 Euro pro m2, vermietet.  

Auch bei privaten Bauträgern, die nicht genossenschaftlich organisiert sind, kann die Stadt darauf einwirken, dass bezahlbarer Wohnraum, z. B. durch Nutzungs- bzw. Belegungsrechte geschaffen wird. Erwirbt z. B. ein Bauunternehmen ein Grundstück von der Stadt, kann sie entsprechende Nutzungsrechte für einen Teil der gebauten Wohnungen im Kaufvertrag vereinbaren. Gehört dagegen das Grundstück nicht der Stadt, können möglicherweise trotzdem Nutzungsrechte für einen Teil der privat gebauten Wohnungen vereinbart oder vorgeschrieben werden. Denkbar wären z. B. kommunale Investitionsfonds für private Investoren. Gegenleistung für die finanzielle Unterstützung durch den Fonds wären dann entsprechende Nutzungsrechte für die Stadt. Darüber hinaus kann mit einer sog. „Sozialen Erhaltungssatzung“ in bestimmten Gebieten auch im Be­bauungsplan verpflichtend ein entsprechender Mindestanteil an Sozialwohnungen oder bezahl­barem Wohnraum vorgeschrieben werden.

 

 

  1. Wir brauchen in Gerlingen eine umfassende Wohnraumpolitik

Für uns steht fest, dass in Gerlingen – neben der ausreichenden Versorgung mit Sozialwohnungen – bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden muss. In welchem Umfang und auf welchem Wege, muss noch genauer untersucht werden. Beispielsweise wäre zu diskutieren, ob der erforderliche Wohnraum vor allem im Bruhweg konzentriert oder über das gesamte Stadtgebiet verteilt geschaffen werden soll. Ohne Zweifel müssen diese Fragen auch mit Blick auf das finanziell Machbare beantwortet werden. Klar ist aber: Ohne Geld in die Hand zu nehmen, lässt sich das Problem kaum lösen.

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Gerlingen ist nur ein Bestandteil einer aktiven Wohn­raumpolitik. Weitere Ansatzpunkte wären z. B. die Weiterentwicklung des städtischen Wohnraum­managements, um die Nutzung bestehender Wohnfläche weiter zu verbessern. Hierzu kann z. B. die Unterstützung bei der Vermittlung von Wohnraum o. Ä. gehören. In jedem Fall benötigt Gerlingen ein Gesamtkonzept, um das Wohnraumproblem wirklich zu lösen.

Die SPD-Fraktion möchte diese notwendige Diskussion anstoßen und voranbringen. Die Themen Altersstruktur und (bezahlbares) Wohnen sind unserer Meinung nach zentrale Aspekte der Gerlinger Stadtentwicklung. Wir können die Probleme nicht aussitzen. Was denken Sie?

Für die SPD-Fraktion

Frank Moll

 

 

Olaf Scholz

 

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