Gerlinger Schüler interviewen Torsten Liebig

Veröffentlicht am 26.02.2021 in Wahlen

Hallo Torsten, wie geht es Dir so im Wahlkampf bisher?

Es ist gleichzeitig wahnsinnig spannend und wahnsinnig anstrengend. Ich darf so viele tolle Leute treffen, etwa die ganzen Ehrenamtlichen, mit denen ich spreche, gleichzeitig habe ich faktisch keine freien Abende mehr und der Job läuft ja auch weiter.

Was erlebst Du im Wahlkampf? Was bewegt die Menschen derzeit?
Natürlich Corona und seine Folgen. Aber viele stehen in den Startlöchern, um danach weiterzumachen. In den Schulen stelle ich einen großen Stolz darüber fest, dass man sich doch so schnell umstellen konnte. Im Einzelhandel dagegen ist Endzeitstimmung. Und überlegt man, dass die Novemberhilfen einfach nicht kommen, kann ich das verstehen. Das ist völlig entmutigend.

Du warst nun schon sehr oft in Gerlingen. Wie findest Du unsere Stadt?
Ich mag an Gerlingen ein gewisses Understatement. Der Haushalt der Stadt weist wohl doch ab und zu ein schönes Plus aus, aber man lässt das nicht raushängen. Zugleich stelle ich fest, dass ganz viele Menschen etwas zurückgeben wollen, etwa die vielen Ehrenamtlichen, die zum Beispiel im Bürgertreff die ganzen Angebote für Senioren auf die Beine stellen, sich in der Mitmachzentrale oder bei den Arbeitskreisen der lokalen Agenda engagieren.

Was sind Deine Ziele als Landtagsabgeordneter?
Ich will vor allem, dass wir in der Region endlich wieder bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen. Ich höre etwa von Erzieherinnen, dass diese sich alleine keine Wohnung leisten könnten. Für die Bosch-Beschäftigten mag eine Wohnung hier bezahlbar sein, aber auch Supermarktkassiererinnen und Arzthelferinnen müssen hier noch etwas finden können. Auch will ich, dass wir Familien durch die Abschaffung der Kitagebühren entlasten und mehr ÖPNV in der Fläche.

Warum sollen die Menschen in Gerlingen Dich wählen?
Weil ich mich so für sie einsetzen werde, wie sie sich für ihre Mitbürger einsetzen. Nehmen wir die Bemühungen Gerlingens, Fair-Trade-Stadt zu werden. Darin drückt sich das Wissen darum aus, dass ich allein nicht glücklich werde, wenn es anderen miserabel geht. Genauso denke ich als Sozialdemokrat auch. Mit mir werden die Gerlingerinnen und Gerlinger auch einen Partner im Landtag haben, wenn es um die Digitalisierung unserer Industrie geht.

Vekehr:

Du arbeitest seit Jahren im Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg. Was machst Du da genau? 

Es gibt viel Tagesgeschäft, Reden schreiben, Briefe von Bürgern beantworten, Besprechungen. Ich arbeite aber vor allem daran, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit von Verkehrsverbünden wie dem VVS zu setzen und den Wettbewerb im ÖPNV besser und gerechter zu machen. Ich gebe zu, es ist recht technisch. Im letzten Jahr habe ich etwa einen zwei Jahre lang dauernden Beteiligungsprozess zu Ende gebracht und wir konnten das ÖPNV-Gesetz des Landes reformieren. Vielleicht zwei oder drei Ideen stammen da auch von mir.

Das Thema Verkehr bewegt derzeit viele Städte und Gemeinden. Kann die Landespolitik da überhaupt was machen?

Die Landespolitik hat enormen Einfluss. Wir können den Städten und Gemeinden die Möglichkeit geben, eine Mobilitätsabgabe einzuführen, wie Manfred Rommel sie schon gefordert hat. Wir können besseren Zugverkehr auf die Schiene bringen. Und wenn wir bereit sind, die Rechnung zu zahlen, können wir die Landkreise auf gewisse Standards verpflichten. Das ist vor allem im ländlichen Raum wichtig.

Fällt Dir zum Thema Verkehr etwas auf, wenn Du durch Gerlingen läufst?

Zum einen natürlich die gute Anbindung durch die U6, mit der ich auch meistens komme. Zum anderen natürlich die Frage, ob tatsächlich so viel Autoverkehr durch den Ort gehen sollte. In Schul-, Haupt- und Kirchstraße sehe ich die Autos oft wenig schneller als Schrittgeschwindigkeit. Und seien wir ehrlich, wer muss denn wirklich durch Gerlingen durch? Mehr innerstädtische Lebensqualität durch Fußgängerzonen könnte auch den Einzelhandel stützen.

Wofür willst Du Dich als Abgeordneter beim Thema Verkehr einsetzen?

Mein Ziel ist, dass ein Leben ohne eigenes Auto genauso gut möglich ist wie eines mit. Ich will niemandem das Auto wegnehmen. Ich will nur, dass die Alternativen besser werden. Dazu gehören etwa mehr sichere Radwege, da haben wir einen großen Nachholbedarf. Außerdem soll der ÖPNV bezahlbarer werden, Jahreskarten von über 1000 Euro müssen der Vergangenheit angehören.

Schule und Kinderbetreuung:

In der letzten Zeit hast Du mit vielen Schülern, Lehrern und Elternvertretern gesprochen. Ist unser Klassenzimmer krisenfest?
Das erkennen wir an jedem Coronatag neu, dass es das leider nicht ist. Hier hat das Kultusminister einen ganzen Sommer nichts getan, wie die Grille in der Fabel. Nur leider sind es jetzt die Schüler und Lehrer, die es ausbaden müssen.

Was müssen wir dort deiner Meinung nach tun, um die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen?
Jetzt einmal unabhängig von Corona gesprochen: Wir brauchen mehr Lehrkräfte. Die SPD hat für den laufenden 1000 zusätzliche Lehrerstellen beantragt, das wurde aber von Grün-Schwarz abgelehnt. Mehr Lehrer = kleinere Klassen = bessere Betreuung. Es ist im Kern recht einfach. Außerdem müssen wir meiner Ansicht nach den Spracherwerb in der Grundschule viel mehr in den Fokus rücken. Nach der vierten Klasse muss jedes Kind deutsch sprechen, lesen und schreiben können. Und Rechtschreibung bleibt auch in Zeiten von Autokorrektur wichtig.

Du setzt Dich, wie die SPD generell, für landesweit gebührenfreie KiTas ein. Warum?
Na ja, die Frage ist doch, warum nicht? Sind unsere Grundschulen, Gymnasien oder Hochschulen gebührenpflichtig? Kitas hängt immer noch dieses Bild von Verwahranstalten für die Kinder von Karrieristen an. Dabei sind Kitas und Kindergärten viel mehr die ersten Bildungseinrichtungen. Und warum belasten wir ausgerechnet junge Eltern, die am meisten Stress, Sorgen und Probleme haben, noch mit Gebühren?

Kann sich das Land das überhaupt leisten?
Vor Corona hat das Land zuverlässig jährlich einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet, dank unserer hochproduktiven und innovativen Beschäftigten in den Betrieben werden wir diese auch bald wieder haben. Dann ist es eine politische Frage: Wofür will ich mein Geld ausgeben

Sind die Gebühren das einzige Thema, das man aus Deiner Sicht bei der Kinderbetreuung angehen muss?
Wie oben schon bei den Grundschulen angemerkt, müssen wir auch im Kindergarten den Spracherwerb noch weiter stärken. Ich habe als Student selber in Kindergärten gejobbt. Nicht wenige „Prügeleien“ - wenn man das in dem Alter so nennen will – entstanden dadurch, dass manches Kind mit Worten einfach nicht mehr weiter wusste.