SPD fordert umfassende Wohnraumpolitik
SPD fordert umfassende Wohnraumpolitik
Warum exorbitante Wohnungspreise kein Gütesiegel für Gerlingen sind
Wer kennt die Beispiele in Gerlingen nicht? Mehr als 4.000 Euro je m2 für eine Neubauwohnung scheinen in Gerlingen immer mehr zur Regel als zur Ausnahme zu werden. Tendenz steigend. Gerlingen folgt damit einem Trend, der derzeit im Großraum Stuttgart und in anderen deutschen Ballungsgebieten beobachtet wird. Vor allem in Gerlingen scheint es jedoch wenig ratsam, die hohen Grundstücks- und Wohnungspreise als allgemeine und unbeeinflussbare Entwicklung oder gar als Gütesiegel für den exquisiten Wohnstandort Gerlingen zu verstehen.
Gerlingen hat im Durchschnitt die älteste Bevölkerung im Landkreis und ist daher für eine „gesunde“ Altersstruktur stärker als andere Kommunen darauf angewiesen, dass junge Erwachsene und Familien Wohnraum in Gerlingen finden. Gerade die Jüngeren können sich jedoch die hohen Preise oft nicht leisten. Besonders gravierend wird dieses Problem vor allem bei Alleinerziehenden.
Auch in Gerlingen gibt es Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum. Nach Auskunft der Stadtkämmerei liegen der Stadtverwaltung derzeit über einhundert Anfragen nach städtischen Wohnungen vor, von denen etwa 45 als dringend einzustufen sind. Ein großer Anteil hiervon sind Alleinerziehende, die am Markt derzeit keine Wohnung finden. Angesichts knapper Bauflächen, einer hohen Nachfrage nach Wohnraum und niedrigen Zinsen scheint sich dieses Problem auch nicht in absehbarer Zeit durch die Marktentwicklung zu lösen.
Auch Gerlingen sollte bezahlbaren Wohnraum schaffen
Andere Städte wie München, Amsterdam und Zürich machen es vor. Dort versucht man aktiv, bezahlbaren Wohnraum zu sichern und zu schaffen. Freilich mit ganz unterschiedlichen Mitteln und Wegen. Auch in Gerlingen sollten wir dieses Thema wieder ernster nehmen und stärker diskutieren.
Bei öffentlich gefördertem Wohnen unterscheidet man im Allgemeinen danach, ob die Menschen ein (regelmäßiges) Einkommen haben oder nicht. Sozialwohnungen sind für Menschen ohne Einkommen bestimmt, insbesondere auch für Flüchtlinge. Bezahlbarer Wohnraum ist für Menschen mit regelmäßigem – jedoch niedrigem – Einkommen wichtig. Alleinerziehende, Azubis, Studierende, junge Familien, aber auch Rentnerinnen und Rentner oder andere Geringverdiener können zu dieser Zielgruppe gehören. Dass Menschen mit hohem Einkommen keine öffentliche Förderung beim Wohnen benötigen, ist selbstverständlich.
Was können wir tun?
Es gibt verschiedene Wege, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Um einen besseren Überblick zu bekommen, sind in Abbildung 1 mögliche Alternativen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – genannt. Die Alternativen orientieren sich an den drei folgenden Grundfragen:
(1) Wem soll das Grundstück gehören?
(2) Wer soll bauen?
(3) In welcher Form wird der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum gedeckt (Vermarktung)?
Erwerb des Grundstück |
Vorkaufsrecht für die Stadt |
Stadt als gewöhnlicher Marktteilnehmer |
Grundstück bleibt im privaten Eigentum |
|||||
Bauträger |
Stadt |
Genossenschaften |
Andere |
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Vermarktung / Bedarfsdeckung |
Verkauf |
Erbbaurecht |
Vermietung |
Nutzungsrechte |
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Abb. 1: Grundlegende Alternativen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum
Eine Möglichkeit bestünde darin, dass die Stadt alle Aufgaben – von der Beschaffung des Grundstücks über den Bau bis zur Vermarktung des Wohnraums – selbst übernimmt. Grundstücke kann sie allgemein entweder über Vorkaufsrechte, ggf. zu bestimmten Sonderkonditionen, oder als gewöhnlicher Marktteilnehmer zu marktüblichen Konditionen erwerben. Die gebauten Wohneinheiten kann die Stadt anschließend vergünstigt verkaufen oder vermieten. Beim Verkauf wäre eine Kaufpreisbindung (d. h. der private Käufer darf in einem bestimmten Zeitraum bei einem Weiterverkauf an Dritte nicht mehr Geld verlangen als er selbst der Stadt ursprünglich bezahlt hat) sowie ein Vorkaufsrecht der Stadt bei Weiterverkauf denkbar. Natürlich könnte die Stadt auch bestehenden Wohnraum zu marktüblichen Konditionen kaufen und vergünstigt wie beschrieben anbieten.
Eine Art Mischform zwischen Verkauf und Vermietung stellt das sog. Erbbaurecht dar. Vereinfacht gesagt, erhält der Käufer hier für einen bestimmten Zeitraum, z. B. für 99 Jahre, quasi das Eigentum für eine Wohnung oder ein Gebäude. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit geht das Eigentum zurück an die Gemeinde.
Die Stadt muss aber nicht alle drei Aufgaben selbst erledigen. Sie könnten auch von privater Hand übernommen werden. Die Möglichkeiten der Stadt hängen hierbei vor allem davon ab, ob die privaten Bauträger genossenschaftlich organisiert sind oder nicht. Genossenschaftliche Bauträger sind in der Regel darauf angewiesen, dass sie günstig Grundstücke kaufen können. Das ist meist nur dann möglich, wenn das Grundstück der Stadt gehört oder vorab von ihr erworben wurde. Durch eine sog. Konzept-Vergabe, bei der das Grundstück nicht an den Meistbietenden, sondern an das insgesamt beste Konzept vergeben wird, vergibt beispielsweise die Stadt München entsprechende Grundstücke insbesondere an genossenschaftliche Bauträger. Die gebauten Wohnungen werden dann von den Genossenschaften in eigener Verantwortung günstig, d. h. teilweise unter 10 Euro pro m2, vermietet.
Auch bei privaten Bauträgern, die nicht genossenschaftlich organisiert sind, kann die Stadt darauf einwirken, dass bezahlbarer Wohnraum, z. B. durch Nutzungs- bzw. Belegungsrechte geschaffen wird. Erwirbt z. B. ein Bauunternehmen ein Grundstück von der Stadt, kann sie entsprechende Nutzungsrechte für einen Teil der gebauten Wohnungen im Kaufvertrag vereinbaren. Gehört dagegen das Grundstück nicht der Stadt, können möglicherweise trotzdem Nutzungsrechte für einen Teil der privat gebauten Wohnungen vereinbart oder vorgeschrieben werden. Denkbar wären z. B. kommunale Investitionsfonds für private Investoren. Gegenleistung für die finanzielle Unterstützung durch den Fonds wären dann entsprechende Nutzungsrechte für die Stadt. Darüber hinaus kann mit einer sog. „Sozialen Erhaltungssatzung“ in bestimmten Gebieten auch im Bebauungsplan verpflichtend ein entsprechender Mindestanteil an Sozialwohnungen oder bezahlbarem Wohnraum vorgeschrieben werden.
Wir brauchen in Gerlingen eine umfassende Wohnraumpolitik
Für uns steht fest, dass in Gerlingen – neben der ausreichenden Versorgung mit Sozialwohnungen – bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden muss. In welchem Umfang und auf welchem Wege, muss noch genauer untersucht werden. Beispielsweise wäre zu diskutieren, ob der erforderliche Wohnraum vor allem im Bruhweg konzentriert oder über das gesamte Stadtgebiet verteilt geschaffen werden soll. Ohne Zweifel müssen diese Fragen auch mit Blick auf das finanziell Machbare beantwortet werden. Klar ist aber: Ohne Geld in die Hand zu nehmen, lässt sich das Problem kaum lösen.
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Gerlingen ist nur ein Bestandteil einer aktiven Wohnraumpolitik. Weitere Ansatzpunkte wären z. B. die Weiterentwicklung des städtischen Wohnraummanagements, um die Nutzung bestehender Wohnfläche weiter zu verbessern. Hierzu kann z. B. die Unterstützung bei der Vermittlung von Wohnraum o. Ä. gehören. In jedem Fall benötigt Gerlingen ein Gesamtkonzept, um das Wohnraumproblem wirklich zu lösen.
Die SPD-Fraktion möchte diese notwendige Diskussion anstoßen und voranbringen. Die Themen Altersstruktur und (bezahlbares) Wohnen sind unserer Meinung nach zentrale Aspekte der Gerlinger Stadtentwicklung. Wir können die Probleme nicht aussitzen. Was denken Sie?
Für die SPD-Fraktion
Frank Moll
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